'Die drei ???'. Allein dieser Titel entführt mich – einen Mann, der die Blütezeit der Kassette noch miterlebt hat – augenblicklich zurück in eine Zeit unschuldiger Abenteuer. Das am 10. Oktober 2025 veröffentlichte Hörspiel 'Das Dorf der Teufel' beweist, dass die Detektive aus Rocky Beach auch nach all den Jahrzehnten nichts von ihrer Faszination und Detektiv-Power verloren haben.
Hörerleben im Zeichen des Schrottplatzes: Die Unvergänglichkeit eines Phänomens
Es ist ein kulturelles Phänomen, das die Generationen überdauert, eine Konstante in einer sich rasend schnell wandelnden Medienlandschaft. Seit den Tagen, als Justus, Peter und Bob noch von Peter Pasetti am knisternden Lagerfeuer vorgestellt wurden, hat sich viel getan. Das Medium hat sich gewandelt – von der Schallplatte über die Kassette und die CD bis hin zum Streaming – doch die Faszination ist geblieben.
Nun liegt mit 'Das Dorf der Teufel' eine Episode vor, die nicht nur eine Adaption einer erfolgreichen Graphic Novel von Ivar Leon Menger und John Beckmann ist, sondern auch eine, die durch ihre spezielle Produktionsweise – ursprünglich für das Planetarium konzipiert – heraussticht.
Für den Traditionalisten mag das zunächst nach einem Bruch klingen, doch Heikedine Körting und ihr Team beweisen einmal mehr, dass sie den Geist der Reihe nicht nur bewahren, sondern auch in neue akustische Dimensionen führen können.
Der Einstieg ist – wie so oft – derart elegant, dass die Welt um einen herum für die Dauer des Abenteuers verschwindet. Axel Milberg, der mit seiner sonoren, leicht melancholischen Stimme die Rolle des Erzählers übernommen hat, macht genau das, was seine Vorgänger so unnachahmlich taten: Er öffnet das Tor nach Rocky Beach und darüber hinaus.
Mit Sätzen wie: „Es war ein heißer, schwüler Sommertag, als Morton mit seinem Rolls-Royce zum Flughafen gefahren war...“ zieht er den Hörer auf das imaginäre Sofa. Man spürt die Hitze, sieht den Rolls-Royce vor sich und weiß: Das Abenteuer beginnt jetzt.
Es ist diese ruhig-epische Intonation, die selbst die banalsten Handlungsstränge mit einer filmischen Würde versieht, die schlichtweg unverzichtbar für das Markenzeichen der Serie ist. Milberg ist kein bloßer Vorleser; er ist der Zeremonienmeister der Spannung.
Die drei Stimmen des Triumphes: Sprecherleistung, die ihresgleichen sucht
In einer Zeit, in der Hörspielreihen kommen und gehen, ist die Beständigkeit der Hauptsprecher ein Geschenk, das man nicht hoch genug bewerten kann. Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw) und Andreas Fröhlich (Bob Andrews) sind längst nicht mehr nur Sprecher; sie sind die drei Fragezeichen.
Ihre Stimmen sind dermaßen untrennbar mit den Charakteren verwoben, dass jede neue Folge ein klassisches Heimkommen darstellt. Gerade in 'Das Dorf der Teufel', wo die Jungs in das archaische Redwood Falls reisen, ein Ort, an dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, ist die Dynamik zwischen ihnen entscheidend.
Rohrbeck liefert den Ersten Detektiv Justus Jonas gewohnt brillant ab – die Stimme ist reif geworden, ja, aber der schnöselige Scharfsinn und die überhebliche Intelligenz blitzen in jedem Dialog durch. Man hört ihm die Freude an, wenn er Peter mit seinem „gesunden Menschenverstand“ (oder dessen vermutetem Mangel) aufzieht.
Jens Wawrczeck als Peter Shaw ist die Seele der Reihe. Die oft ängstliche, aber loyale Natur des Zweiten Detektivs wird durch Wawrczecks leicht zittrige, aber nie hysterische Art perfekt transportiert.Er ist der emotionale Anker im Trio, derjenige, der die Hosen voll hat, aber nie aufgibt.
Und Andreas Fröhlich als Bob Andrews? Der Dritte Detektiv, der Mann für Recherche und Technik, bekommt hier einen besonderen Witz, wenn die gesamte Technik im Fortschritt-verneinenden Dorf nutzlos ist. Die unaufgeregte, fast trockene Art, mit der Fröhlich die Fakten präsentiert, ist das perfekte Gegengewicht zu Justus‘ Hochmut und Peters Nervosität.
Der unverzichtbare Morton und ein Wiederhören
Eine Besonderheit dieser Folge ist die Rolle von Chauffeur Morton. Nach dem Tod des langjährigen Sprechers Andreas von der Menden musste eine Neubesetzung her. Michael Prelle tritt in große Fußstapfen und meistert die Aufgabe meisterhaft.
Sein Morton ist souverän, verlässlich und strahlt eine ruhige Autorität aus, die ihn zum perfekten Mentor und Helfer für die Jungs macht. Es ist Morton, dessen vermisster Freund die Handlung überhaupt erst in Gang setzt. Ihn wieder so prominent im Geschehen zu haben, ist ein Fan-Service erster Güte.
Und dann die Gastsprecher: Mit Anja Topf, Joachim Kretzer, Till Hagen (als Frederik!) und der „Stimme der drei ???“ Heikedine Körting selbst (unter dem Pseudonym Pamela Punti als Frau am Flughafen!) ist die Besetzung gewohnt hochkarätig.
Es ist diese Qualität in der Breite, die ein 'EUROPA'-Hörspiel so unverwechselbar macht. Die Stimmen sind klar, die Intonationen präzise. Man kauft jedem Charakter seine Rolle ab, vom zwielichtigen Dorfbewohner bis zur besorgten Ehefrau.
Die Akustik: Geräusche und Musik als tragende Säulen
Das Hörspiel lebt nicht nur von den Stimmen, sondern maßgeblich von seiner akustischen Untermalung. Paul Timmich und Martin Langenbach (Geräuschemacher) haben hier ganze Arbeit geleistet. Das Gefühl, in ein Dorf zu kommen, „als wäre die Zeit stehen geblieben“, wird nicht nur erzählt, es wird hörbar gemacht.
Man hört das knarzende Holz alter Häuser, das Heulen des Windes in den Bergen, die dumpfe Stille eines Ortes, der keine modernen Geräusche (kein Handy-Klingeln, kein Computer-Surren) kennt.
Als die „Teufel“ in Kapuzen und Masken auftauchen, sind es die Fackeln, deren knisterndes Geräusch die Bedrohung real macht. Die Geräuschkulisse ist minimalistisch, aber maximal effektiv. Sie schafft eine unheimliche Atmosphäre, die man fast schon mit den frühen, düsteren Hörspielen der Reihe vergleichen möchte.
Und dann die Musik. Liebe EUROPA-Redaktion, liebe Heikedine Körting, lieber André Minninger: Hier haben Sie ins Schwarze getroffen! Die musikalische Leitung knüpft nahtlos an die klassische EUROPA-Ästhetik der 80er und 90er an.
Die Hörspielmusik, die hier eingesetzt wird, erinnert mich als Veteranen tatsächlich unweigerlich an die düsteren, atmosphärischen Klangteppiche von Klassikern wie 'TKKG – Es geschah in einer Regennacht'.
Es sind diese synthetischen, oft melancholischen Klänge, die fließenden, unterschwelligen Melodien, die eine permanente, unterschwellige Spannung erzeugen, ohne aufdringlich zu sein. Sie untermalen die Berglandschaft, die einsamen Wege und das Geheimnis um Redwood Falls mit einer Schwermut, die perfekt zur Handlung passt.
Es ist keine moderne, überproduzierte Filmmusik, sondern genau jene charmante, nostalgische Musikbibliothek, die das Gefühl von „Cosy Crime“ am besten transportiert. Ein wahrer Genuss für das Fan-Ohr. Die Musik ist die Brücke in meine Kindheit.
Der Inhalt: Das Böse im Fortschrittswiderstand
Die Geschichte selbst ist packend und spielt geschickt mit den Urängsten des modernen Menschen: Die Angst vor dem Unbekannten und der Ablehnung des Fortschritts. Das Dorf Redwood Falls, das jegliche Technologie ablehnt, bildet eine reizvolle Antithese zum technikaffinen Trio, besonders zu Bob und seinem Faible für moderne Recherchemittel.
Die Idee, dass die Bewohner in Teufelsmasken und Kapuzen nachts Fackelzüge veranstalten, nur um Eindringlinge (oder vermeintliche Teufel) zu vertreiben, schafft eine unheimliche, fast mittelalterliche Stimmung.
Man fühlt sich an Klassiker erinnert, in denen Aberglaube und Dorfhysterie die treibenden Kräfte sind. Als Hörer fiebert man mit, wenn Justus, Peter und Bob selbst zu den Gejagten werden, weil sie eben das Moderne, das „Teuflische“ in diese abgeschottete Welt bringen.
Die Spannungskurve wird dabei von Heikedine Körtings Regie perfekt gehalten. Das Tempo ist straff, besonders auf Disc 2 überschlagen sich die Ereignisse. Der Unfall, die Suche nach dem verschwundenen Freund und die Entlarvung der Dorfbewohner halten den Hörer atemlos bei der Stange.
Die Auflösung: Ein notwendiges Übel
Wenn ich als langjähriger Hörer einen kritischen Punkt anmerken müsste, dann ist es die Auflösung. Viele der neueren Folgen neigen dazu, ein überdimensionales Geheimnis zu konstruieren, das in der Auflösung dann rationalisiert werden muss.
Die Motive für die kollektive Hysterie eines ganzen Dorfes zu erklären, ohne dass es etwas weit hergeholt wirkt, ist schlichtweg schwierig. Man muss es in Kauf nehmen, dass die Intrigen und Motivationen manchmal nur knapp an der Glaubwürdigkeitsgrenze kratzen.
Aber das ist der Deal im ???-Kosmos. Die Spannung und die Atmosphäre der ersten Hälfte, das „Cosy Crime“-Gefühl, das durch Milbergs Erzählung und die Sprecherleistung entsteht, wiegen diesen Makel mehr als auf.
Am Ende wird man mit dem Gefühl belohnt, dass Justus' Scharfsinn und Bobs Recherche das scheinbar Übernatürliche wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Die Teufel sind keine Dämonen, sondern Menschen mit Lügen – eine Lektion, die man in Rocky Beach immer wieder lernt.
Fazit eines alten Hasen: Ein akustischer Volltreffer
'Das Dorf der Teufel' ist mehr als nur eine neue Folge. Es ist ein Beweis für die Zeitlosigkeit der drei Fragezeichen und die Qualität der EUROPA-Produktionen.
Die Hörspiel-Umsetzung der Graphic Novel ist packend gelungen. Die Sprecherleistung der drei Hauptakteure ist eine Hommage an die Kontinuität, und die Neubesetzung von Morton ein voller Erfolg.
Die Geräuschkulisse ist präzise, die Musik ist ein nostalgisches Meisterwerk und eine akustische Umarmung für alle Althörer, die sich an die besten Tage der EUROPA-Klangästhetik erinnert fühlen.
Für mich als langjährigen Begleiter dieser Detektive ist diese Episode ein akustischer Volltreffer. Sie vereint die Tradition der unheimlichen, isolierten Schauplätze (wie oft waren die Jungs in den Bergen oder am Meer, wo die Zivilisation dünn wird?) mit einer spannenden, modernen Geschichte über Aberglaube und Technologiekritik.
Man kann der Regie von Heikedine Körting nur gratulieren. Sie weiß genau, welche Stellschrauben sie bedienen muss, um das Fan-Herz zu erwärmen und gleichzeitig neue Hörer zu gewinnen. Ob im Planetarium oder über die Kopfhörer im Auto – diese Geschichte fesselt von der ersten bis zur letzten Minute.
Und solange wir uns noch von Axel Milberg ins Abenteuer entführen lassen und das timeless Trio am Funkgerät wissen, ist die Welt – zumindest auf dem Schrottplatz – noch in Ordnung. Eine uneingeschränkte Hörempfehlung von einem, der schon seit ewigen Zeiten lauscht.
Was denken Sie? Haben Sie als Hörer auch diese musikalische Verbindung zu den früheren Werken gespürt? Oder sind es für Sie ganz neue Klänge?
Zum Hörspiel: play-europa.de/produktwelt/hoerspiele/produktdetail/das-dorf-der-teufel
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