„Lust, was über mein Hörbuch zu machen? Wäre doch mal was anderes, wenn du den Autor dabei hättest, oder?“, erreichte mich vor ein paar Monaten eine Anfrage von Andrew J Raven. Um ehrlich zu sein, war mir das etwas zu viel bei all meinen anderen Ideen. Aber dann dachte ich, dass doch zumindest ein Mail-Interview gehen sollte. Und was der Mann zu erzählen hatte, klingt interessant!
Für 'Die Magie der Tausend Lande' hat der Selfpublisher eine eigene High-Fantasy-Welt erschaffen, die bisher ohne Verlag in unter anderem zwei Romanen und der kostenlosen, interessanten Kurzgeschichte 'Nur ein Ork' beschrieben wird.
Erster Roman als Hörbuch selbst publiziert
Der erste Roman 'Der Herr der Toten' wurde vor mehreren Jahren veröffentlicht. Jetzt wurde auch ein Hörbuch dazu aufgenommen. Die Idee dazu entstand bei Andrew J Raven aus dem Wunsch, mit Simon Vey (hier bei YouTube) etwas Gemeinsames zu machen – und dabei doch jeweils unabhängig arbeiten zu können.
„Da er in erster Linie Musik produziert und ich Romane schreibe, lag das Hörbuch gewissermaßen als kreative Schnittmenge auf der Hand“, erklärt er. „Die musikalische Untermalung des Hörbuchs ist entsprechend eine originäre Komposition, eigens für dieses Projekt entstanden – etwas, das wohl nur die wenigsten selbstpublizierten Hörbücher von sich behaupten können.“
Das Selfpublishing des Hörbuchs entstand aus der Erfahrung heraus, die Andrew schon bei der Verlagssuche für den Roman sammeln konnte: „Der Aufwand war enorm – bei gleichzeitig ungewissem Erfolg, kaum brauchbarem Feedback, geringeren Einnahmen pro verkauftem Exemplar als im Selfpublishing und – gerade bei Kleinverlagen – der Notwendigkeit, das Marketing größtenteils selbst zu übernehmen.“
Social Media für den sozialen Austausch genutzt
Folglich macht Andrew jetzt auch das Hörbuch quasi ganz alleine durch Anfragen bei Podcasts oder Blogs wie hier bei mir publik. Ein kurze – na gut, mehrmalige – Kontaktaufnahme im Fediverse über mein Profil bei Mastodon (Links öffnen in neuen Fenstern!) reichte.
„Das Fediverse ist für mich mehr als nur ein Netzwerk – es ist meine digitale Heimat“, lobt Andrew die unabhängige Plattform. „Zwar habe ich auch zum Beispiel ein Profil auf Bluesky, bin dort jedoch kaum aktiv. Im Fediverse hingegen poste ich regelmäßig und mit Freude.“
Fehlt da nicht noch was beim Hörbuch?
Beim Vergleich mit der Leseprobe zum Roman auf ajraven.de fällt auf, dass der Prolog weggelassen wurde. Mir erscheint er gut, weil er größere Spannung erzeugt als die verfügbare Hörprobe. Zumal diese leider auch etwas kürzer als die Leseprobe ausgefallen ist.
Aber dafür hat Andrew eine Erklärung parat: „Ich verstehe jeden, der früh ein Gespür dafür bekommen möchte, was ihn erwartet. Doch dieses Bedürfnis kollidiert grundlegend mit dem Konzept von 'Der Herr der Toten'. Hier weiß der Erzähler – und damit auch das Publikum – nur, was der Protagonist Finn weiß.“
Die Welt und ihre Figuren werden ausschließlich durch Finns weltanschaulich geprägte Perspektive erfahrbar. Und diese verändert sich im Laufe der Geschichte, wie Andrew ergänzt: „Sie wird offener, differenzierter, hinterfragt sich selbst. Der Prolog war daher immer ein Zugeständnis an moderne Lesegewohnheiten – der Verzicht darauf im Hörbuch hingegen eine bewusste, fast schon puristische Entscheidung.“
Außerdem fehlt im Hörbuch ein Kapitel, das aber als kostenloser Download auf der Webseite zur Verfügung gestellt wird, weil es technische Schwierigkeiten gab: „Um das Problem zu beheben, müsste ich das Hörbuch für Wochen aus dem Netz nehmen. Und das, obwohl mich keinerlei Verschulden trifft. Ich werde diesen Schritt gehen, aber erst, wenn der anfängliche Schwung abgeebbt ist.“
Menschliche Magie nutzt Künstliche Intelligenz
Ein anderer technischer Aspekt ist auch spannend. Andrew hat die KI von 'ElevenLabs' genutzt, um die Stimme fürs Hörbuch zu erzeugen. Im Grunde auch etwas aus der Not heraus: „Stimmlich habe ich das schlicht nicht hinbekommen. Einen professionellen Sprecher zu engagieren, hätte mein Budget bei Weitem gesprengt. Am Ende blieb also nur die Wahl: das Projekt aufgeben oder KI einsetzen.“
Diese Tools bewegen sich seiner Einschätzung nach bestenfalls auf dem Niveau von „gerade so erträglich“, wenn man einfach nur einen Text reinsteckt. Selbst mit seiner Feinjustierung musste er noch Kompromisse eingehen: „Ich habe rund anderthalb Monate in Vollzeit ins Finetuning investiert. Mit dem benannten Aufwand liegt die Qualität ungefähr auf dem Niveau eines engagierten Laiensprechers. Die liebevolle Gestaltung mit dezidiert komponierter Musik und Soundeffekten schafft dann zusätzlich Atmosphäre.“
Friedenswächter oder Jünger des Todes?
In 'Der Herr der Toten' geht es um Finn, der zu einem Friedenswächter berufen wird, also ein Beschützer der Tausend Lande. Doch er ist ein Nekromant: Seine Magie entreißt anderen unkontrolliert den Lebensfunken und gibt ihm die Macht, damit ganze Armeen von Leichnamen seinem Willen zu unterwerfen.
Von den Friedenswächtern dafür geächtet, doch von den gefürchteten Jüngern des Todes verehrt, gerät er zwischen die Fronten einer jahrhundertealten Auseinandersetzung um Einheit und Freiheit aller Völker, die nun seinetwegen droht zu eskalieren und die Tausend Lande zu vernichten...
Ketzerisch gesagt klingt das ein bisschen nach Anakin Skywalker im Auenland, aber Andrew hat meiner Meinung nach mit 'Nur ein Ork' bewiesen, dass er da ein paar interessante Ideen parat hat, um mehr zu schaffen.
Zum einen geht es ihm um die Thematik von Freiheit auf der einen Seite und Frieden sowie Einheit auf der anderen: „Ein Spannungsfeld, das aktueller kaum sein könnte. Während die persönlichen Dimensionen in der Literatur häufig behandelt werden, sind die gesellschaftlichen eher unterrepräsentiert – besonders im Genre der High-Fantasy.“
Herzensangelegenheit im High-Fantasy-Hörbuch
Der zweite Aspekt ist die subjektive Wahrnehmung von Gesellschaft und der eigenen Rolle darin – etwas, das Andrew erzählerisch besonders am Herzen lag. Er versucht das zu erklären, ohne zu viel vorwegzunehmen: „Finns Weltbild wird im Lauf der Geschichte mehrfach gründlich erschüttert. Um das erfahrbar zu machen, erzähle ich konsequent aus seiner Perspektive – zunächst in klaren Schwarz-Weiß-Mustern, wie sie für klassische Fantasy typisch sind.“
Doch diese Sichtweise prallt nach und nach auf die komplexe Wirklichkeit seiner fiktiven Welt: „Die klassische Heldenreise erschien mir dabei als passende Struktur – auch wenn das dem Roman zu Beginn vielleicht ein leicht altmodisches Lesegefühl verleiht. Aber genau das wollte ich: eine Geschichte schreiben, die ich selbst gern lesen würde.“
Und nun gibt es sie eben auch zu hören. Wie es weitergeht, wird aber davon abhängen, wie das Hörbuch vom Publikum aufgenommen wird – und natürlich auch, wie Andrew J Raven ergänzt: „… woran ich selbst am meisten Freude habe.“
Hier gibt es die Links-Sammlung zu u.a. der Homepage von Andrew J Raven, zu seinem Mastodon-Profil und zu den Plattformen, bei denen es das Hörbuch gibt:
https://linktr.ee/DerHerrDerTotenHoerbuch
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