Mit 'Erzählungen VI' veröffentlichte 'Tacheles/Roofmusic' im März 2020 – wie der Titel schon nahelegt – weitere Werke von Franz Kafka. Sven Regener, seines Zeichens nach Autor und Sänger der Band Element of Crime, liest dieses Mal vier kurze Geschichten, die der Schriftsteller kurz vor seinem Tod 1924 im Sammelband 'Ein Hungerkünstler' veröffentlicht hat.
Eröffnet wird der sechste Teil dieser kafkaesken 'Erzählungen'-Reihe mit der Kurzgeschichte 'Erstes Leid'. Darin geht es um einen Trapezkünstler, der zunehmend unzufriedener mit den Umständen seiner Arbeit wird. Auch das titelgebende Stück 'Ein Hungerkünstler' geht in eine ähnliche Richtung.
MAUSsergewöhnliches Erlebnis
Genau wie 'Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse'. Hier wird allerdings aus der Ich-Perspektive einer Maus über eine andere Maus erzählt, die für ihre Kunst bewundert wird. Trotzdem fragt sich der Ich-Erzähler, worin diese scheinbar irgendwie unleugbare Kunst eigentlich besteht.
„Wenn es also wahr wäre, daß Josefine nicht singt, sondern nur pfeift und vielleicht gar", wie es ihm wenigstens scheint, „über die Grenzen des üblichen Pfeifens kaum hinauskommt – ja vielleicht reicht ihre Kraft für dieses übliche Pfeifen nicht einmal ganz hin, während es ein gewöhnlicher Erdarbeiter ohne Mühe den ganzen Tag über neben seiner Arbeit zustandebringt – wenn das alles wahr wäre, dann wäre zwar Josefinens angebliche Künstlerschaft widerlegt, aber es wäre dann erst recht das Rätsel ihrer großen Wirkung zu lösen.“
Die Vermutung liegt nahe, dass sich Kafka selbst so unverstanden fühlte wie seine Protagonist*innen dieser letzten seiner Erzählungen und somit seine eigenen Leiden thematisiert. Ebenso wie bei der vierten Erzählung, wobei es darin um eine andere Thematik geht.
Der Ich-Erzähler berichtet hier in 'Eine kleine Frau' von einer Art „Beziehung“ zu einer Dame, der keiner der beiden scheinbar entrinnen kann. Und das, obwohl sie ihnen Leid bereitet, wie er sagt: „Auch liegt ja, wenn man will, eine gewisse Verantwortung auf mir, denn so fremd mir die kleine Frau auch ist, und so sehr die einzige Beziehung, die zwischen uns besteht, der Ärger ist, den ich ihr bereite, oder vielmehr der Ärger, den sie sich von mir bereiten läßt, dürfte es mir doch nicht gleichgültig sein, wie sie sichtbar unter diesem Ärger auch körperlich leidet.“
Im Grunde kommt die Geschichte nahezu ohne Handlung aus – ähnlich wie die anderen drei. Es geht nie darum, was gemacht wird. Vielmehr wird beschrieben, wie vor allem die Wahrnehmungen, Gefühle und Beurteilungen ausfallen.
Nüchtern betrachtet
Was die Texte ausmacht, bringt der Hörbuch-Verlag treffend in seiner Beschreibung der gesamten 'Erzählungen'-Reihe auf den Punkt: „Phantastisches und Unheimliches, Paradoxes und Absurdes: Kafka beschreibt die unglaublichsten Sachverhalte nüchtern und minutiös.“
Nüchtern wie Sven Regener das alles einfach unnachahmlich liest, passt es natürlich entsprechend gut zu diesem Österreichischen1 Autoren. So zumindest wird Franz Kafka auf einer Gedenktafel in der Berliner Grunewaldstraße bezeichnet, wo er für wenige Monate gelebt hat.
Wie dem auch sei, wir dürfen gespannt sein, ob beziehungsweise was da noch an einmalig vorgetragenen 'Erzählungen' mit Sven Regener folgen wird.
Hörbuch 'Erzählungen VI – Ein Hungerkünstler' von Franz Kafka seit 6. März 2020 bei 'Tacheles/Roofmusic' erhältlich. Hörprobe und mehr Infos unter: https://roofmusic.de/produktkatalog/produkt/1152-erzaehlungen-6---ein-hungerkuenstler
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1 Franz Kafkas Geburtsstadt Prag gehörte zu seinem Geburtstag am 3. Juli 1883 zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie – bis zur Gründung der Tschechoslowakei 1918, die 1993 dann friedlich in Tschechien und die Slowakei geteilt wurde!
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