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AKUSTISCHER WAHNSINN: Oliver Dörings "Faust" – Das definitive Hörspiel des Jahres für Gastautor ZeroDot1

In der heutigen deutschen Hörspiellandschaft, die zwar reich an Krimis, Fantasy-Serien und lizenzierten Stoffen ist, fehlt es oft an den ganz großen, mutigen kulturellen Ereignissen. Oliver Dörings Adaption von 'Faust' gehört definitiv zu dieser seltenen Kategorie, findet Gastautor ZeroDot1.


Vorwort: Die Faszination des ewigen Themas

Der Faust-Stoff ist mehr als nur eine Geschichte – er ist ein Spiegel der deutschen Seele, die Verkörperung des menschlichen Strebens, des ewigen Durstes nach Erkenntnis und Macht, der uns seit Jahrhunderten fasziniert.

Der Mythos vom Gelehrten, der aus Verzweiflung und Wissensgier seine Seele an den Teufel verkauft, ist die Blaupause für jede Erzählung über hohe Einsätze, moralische Abgründe und die Versuchung des Digitalen Zeitalters.

Ihn anzugehen, ist eine monumentale Herausforderung. Es verlangt nicht nur Respekt vor der literarischen Wucht Goethes und des ursprünglichen Volksbuchs, sondern auch den Mut, die Essenz des Stoffes neu zu interpretieren und in die Moderne zu katapultieren.

Als leidenschaftlicher Konsument dieses Genres habe ich jede Ankündigung dieses Projekts mit größter Spannung verfolgt. Kann eine moderne, tontechnisch brillante Umsetzung dem Erbe dieses Archetyps gerecht werden?

Ich lade Sie ein, mit mir in diese Welt des akustischen Wahnsinns einzutauchen, um zu verstehen, warum dieses Werk in meinen Augen nicht nur eine gelungene Adaption ist, sondern ein Meilenstein, der die Messlatte für das, was ein deutsches Hörspiel sein kann, neu definiert hat.

Von der historischen Verankerung des Magiers Jörg Faustus bis hin zur atemberaubenden Performance der Sprecher – hier finden Sie meine ganz persönlichen Einblicke in Dörings mutige Vision.

Meine anfängliche Skepsis und die wegweisende Modernisierung

Als jemand, der seit Jahren Hörspiele verfolgt und die Entwicklung des Genres hautnah miterlebt hat, kenne und schätze ich die Arbeit von Oliver Döring – oder wie ich ihn nenne: "Olli" – zutiefst ('End of Time', 'Der Vampir', 'Foster').

Doch als bekannt wurde, dass er sich an Goethes Faust wagt, war ich ehrlich gesagt mehr als skeptisch. Der Stoff ist nicht nur ein Klassiker, sondern ein massives, literarisches Bollwerk; ein Werk, das so oft verfilmt und vertont wurde, dass es fast unantastbar scheint.

Wie bändigt man ein solch komplexes Werk der Weltliteratur und übersetzt es glaubwürdig und relevant in die Gegenwart, ohne es zu trivialisieren? Ich war mir vor der Veröffentlichung nicht sicher, ob das wirklich gelingen kann.

Doch was Döring hier als Teil seiner „Phantastische Geschichten“-Reihe abgeliefert hat, ist einfach nur großartig – es ist ein akustisches Denkmal, das meine Erwartungen bei Weitem übertroffen hat.

Er hat den Ur-Stoff genommen – die große Volkssage vom Pakt mit dem Teufel – und ihn nicht etwa verstaubt adaptiert, sondern in einen überraschend modernen, filmästhetischen Zweiteiler verwandelt.

Die gesamte Story beginnt mit einer genialen Klammer: der kosmischen Wette der höheren Mächte, die nicht im Himmel, sondern über einem von aktuellen Krisen erschütterten Planeten geschlossen wird.

Pandemien, Kriege, Populismus, ja, sogar der Klimawandel – all diese Themen spuken als düsteres Hintergrundrauschen durch die ersten Szenen und schaffen einen sofortigen, beunruhigenden Bezug zur Gegenwart.

Die Übertragung, die auf der alten Volkssage basiert und eben nicht starr an Goethes Versen klebt, ist perfekt gelungen. Ich liebe es, wie Olli aktuelle Verlockungen, politische Einflussnahme und moderne Technologie nahtlos in die Handlung einflicht.

Das berühmte Zitat von Mephisto, das ich zitieren muss, ist dafür das beste Beispiel und fasst die gesamte Modernität zusammen: "Mit welcher Kreativität sie hinabsteigen. Das Smartphone hätte glatt von mir stammen können."

Neben der eigentlichen Story begeistern mich auch die vielen kleinen, pointierten Randbemerkungen, die dem Ganzen zusätzlichen Tiefgang und Witz verleihen.

Das Ganze ist übrigens explizit als „EIN HÖRSPIEL FÜR ERWACHSENE“ ausgewiesen, was die Ernsthaftigkeit der moralischen und philosophischen Themen von Anfang an klarmacht.

Die meisterhafte Inszenierung, Akustik und das legendäre Sprecher-Ensemble

Die gesamte Umsetzung des Hörspiels ist döring-typisch großartig und beweist einmal mehr, warum Olli in meinen Augen der Meister des modernen, akustisch dichten Hörspiels ist. Er nutzt die Möglichkeiten des Mediums voll aus.

Das fängt bei der präzisen Regie an, geht über die komplexen Sound-Layers, die eine intensive, atmosphärische Klanglandschaft schaffen, und hört bei der grandiosen Besetzung nicht auf.

Wenn ich das Hörspiel über Kopfhörer genieße, tauche ich komplett in eine akustische Parallelwelt ein – die Effekte, die mich förmlich umfließen, sind pure Gänsehaut.

Das duale Porträt des Gelehrten

Die Rolle des Faust selbst ist dramaturgisch genial gelöst: Die Zerrissenheit des Protagonisten wird durch die Aufteilung auf zwei Sprecher physisch spürbar

Wolfgang Pampel (die legendäre Synchronstimme von Harrison Ford) verkörpert den älteren, suchenden, am Leben verzweifelnden Gelehrten, der kurz vor dem Bruch steht.

Ihm gegenüber steht Florian Clyde, der seinen jungen, getriebenen Part und sein verführtes Ich darstellt, dem die Welt nun offensteht.

Diese gespaltene Persönlichkeit ist nicht nur clever, sondern erlaubt es, Fausts inneren Konflikt zwischen rationaler Wissenschaft und mystischer, ja teuflischer Sehnsucht auf die Spitze zu treiben und mich als Hörer tief in seine psychische Zwickmühle hineinzuziehen.

Die Offenbarung des Bösen und die beste Schauspielerin

Besonders hervorheben muss ich natürlich Jochen Malmsheimer als Mephisto. Er ist für mich die Offenbarung der Produktion. Als Kabarettist bringt er eine Wortgewandtheit und einen trockenen Sarkasmus mit.

„Sein“ Teufel nicht nur böse, sondern unglaublich charmant, diabolisch und urkomisch – eine perfekte Mischung aus Gefahr und Verführung. Seine Stimme hallt förmlich in meinem Kopf nach.

Doch meine höchste Verneigung, und das meine ich aus tiefster Überzeugung als Kenner, gilt Luisa Wietzorek als Gretchen. Ihre Performance ist schlicht legendär.

Ich gebe zu, es gibt eine Sprecherleistung von ihr in einer anderen Döring-Serie, die ich persönlich noch besser finde, aber die steht fast schon außer Konkurrenz.

Die vollumfängliche Vielfalt der Variationen, die sie in dieser Rolle zum Besten gibt – von naiver Liebe bis zur tiefsten Tragödie, wie im zweiten Teil, dem "kosmischen Showdown", wo Menschen zu Spielfiguren werden – ist unglaublich.

Ich lege meine Meinungslatte eine Handvoll Stufen höher: Luise ist für mich aktuell die beste Schauspielerin im deutschen Sprachraum. Punkt.

Der historische Anker: Johann Georg Faust und der Weg zur Legende

Olli hat es verstanden: Die eigentliche Power der Geschichte liegt nicht nur in Goethes Versen, sondern in diesem realen, zwielichtigen Mann, der den Mythos überhaupt erst ins Rollen brachte.

Was die Geschichte so zeitlos macht, ist, dass es ihn wirklich gab. Der ganze Mythos entspringt einem realen, wenn auch zwielichtigen Mann des 16. Jahrhunderts: Johann Georg Faust (oder damals eher Jörg Faustus genannt), geboren wahrscheinlich um 1480.

Er war kein Universitätsprofessor im heutigen Sinne, sondern ein wandernder Wunderheiler, Alchemist, Magier, Astrologe und Wahrsager. Er nannte sich selbst "Faustus".

Dass das lateinisch "der Glückliche" bedeutet, zeugt schon von einem gewissen Selbstbewusstsein und einem klugen Marketingtalent, um in dieser Renaissance-Welt aufzufallen.

Zeitgenossen sahen ihn allerdings oft kritisch. Kleriker verabscheuten ihn, und der Humanist Mutianus Rufus bezeichnete ihn als „bloßer Prahler und Narr“. Er galt vielen als Quacksalber und Hochstapler, aber er war bekannt als Praktiker der Schwarzen Künste, nicht nur als Theoretiker, der Bücher wälzte.

Er zog durch viele Städte, wurde in Ingolstadt ausgewiesen, und sogar der berühmte Abt Johannes Trithemius wetterte öffentlich gegen ihn. Mich fasziniert dieser Gedanke: Ein Mann, der so polarisierte, dass sein Leben schon zu seinen Lebzeiten zur Legende wurde.

Doch der entscheidende Punkt, der den Pakt-Mythos für Jahrhunderte zementierte, war sein dramatischer Tod um 1541, wahrscheinlich in Staufen im Breisgau.

Die Berichte, unter anderem in der Zimmerischen Chronik, besagen, dass er bei alchemistischen Experimenten (man munkelt, er versuchte Gold herzustellen, was ja die ultimative Alchemisten-Sucht war) infolge einer Explosion ums Leben kam.

Sein Leichnam wurde in „grässlich deformiertem Zustand“ aufgefunden. Für die Menschen des 16. Jahrhunderts war das die unmissverständliche Quittung: Der Teufel, den Faust angeblich scherzhaft seinen „Schwager“ nannte, hatte die Seele des Magiers abgeholt.

Diese eine, schreckliche Szene, die den Übergang von der historischen Figur zur unaufhaltsamen Sage markiert, ist das Fundament, auf dem Dörings modernes Hörspiel meisterhaft aufbaut.

Die physische "Schmuck-Ausgabe" und mein wichtigster Hörtipp

Als Sammler und Ästhet muss ich auch die physische Aufmachung loben. Die 2CD-Ausgabe ist ein optisches Highlight und wird zu Recht als „SCHMUCK-AUSGABE MIT BONUS-VORWORT“ vermarktet.

Dieses Vorwort, das sich vermutlich mit der Geschichte der Faust-Adaptionen beschäftigt, ist ein besonderer Leckerbissen für alle, die sich tiefer mit dem Stoff auseinandersetzen wollen. Der hochwertige CD-Schuber und die Discs selbst sind durchgängig im düsteren, feurigen Stil gehalten.

Das Cover mit der markanten Schrift und dem Bild des älteren Faust, der auf seinen jüngeren, brennenden Teil blickt, ist ein Meisterwerk des Designs, das die innere Zerrissenheit visuell perfekt einfängt.

Und hier kommt mein wichtigster Tipp an alle, die den vollen Genuss wollen: Es empfiehlt sich in jedem Fall, die physische CD-Version zu hören. Warum? Die Streaming-Fassungen, die man beispielsweise auf Spotify findet, sind tatsächlich unterschiedliche Fassungen mit einer abweichenden Länge.

Die vollständige 112-Minuten-Version der CD ist die definitive Fassung, die ich jedem nur empfehlen kann, um den vollen "Hörspielwahnsinn" zu erleben. Nur so bekommt man die komplette, ungeschnittene Vision von Olli.

Mein Fazit nach dem Hören dieser Nummer ist klar: Ich verneige mich erneut vor diesen 112 Minuten Hörspielwahnsinn! Wer wissen will, wie sich die große Volkssage in einer Welt voller digitaler Versuchungen und globaler Krisen anhört, kommt an dieser IMAGA-Produktion nicht vorbei.

CD-Ausgabe im Imaga-Shop kaufen: imaga-shop.de/phantastische-geschichten/faust-2cds

Transparenzhinweis: Dieser Beitrag wurde durch Imaga unterstützt, herzlichen Dank.

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